Hi Linda,
ist ja wunderbar, dass du eine Lesung hast, gratuliere!
Ich weiß nicht, wie viele Lesungen du selbst schon gehalten hast. Und natürlich auch nicht, ob sich, wenn, deine Beobachtungen mit meinen decken. Außerdem sind meine Erfahrungen nicht nur die von Lesungen, sondern auch von gehalteenen Seminaren. Aber auch dort hören einem ja Leute zu.
Was mich speziell bei meinen ersten Malen ziemlich verunsicherte war, dass die Leute einfach saßen und hörten. Keine Ahnung, was ich alles an Gefühlsausbrüchen erwartet hatte. Bei Lesungen kommt m.E. erschwerend dazu, dass man ja nicht aus dem Stegreif spricht, wie ich es bei Seminaren mache, und ich natürlich so nicht alle Reaktionen mitbekam. Vielleicht hatten die Leute auch akkurat dann mit einer Reaktion innegehalten, wenn ich aufblickte, wer weiß.
Dieses Schweigen irritierte mich und brachte mich dazu, einen kapitalen Fehler zu machen: Ich wurde schneller. Und da bin ich bei dem m.E. ganz wichtigen Punkt: Langsam, durchaus übertrieben artikuliert (das kommt nämölich nur einem selbst so vor), sogar bedächtig kommt besser als runterrasseln. Am besten natürlich je nach Anforderung des Textes auch die Geschwindigkeit wechseln. Okay, aber das weißt du natürlich eh alles.
Generell würde ich mich nicht allzusehr auf einen bestimmten Ablauf einschießen. Ich selbst finde es wichtig, auf das Publikum einzugehen. Zuerst mal checken, wie die überhaupt drauf sind. Das kann man z.B. so, indem man ein paar Geschichten rund um den Text frei von der Leber weg erzählt, wenn es welche gibt, dann ein, zwei Anekdoten. Oder aus dem eigenen Schreiberalltag. So schaffe ich gerne Verbindung vor dem Lesen.
Dann checken, wer die lebhaftesten Personen sind - egal ob im aktiven oder störenden Sinne - und dann speziell mit denen immer wieder in Blickkontakt gehen. So bekommt man effizienter Reaktionen mit, als wenn man alle scannen wollte, was ja eh nicht ausgeht.
Zur Textlänge würde ich zwei, drei Varianten parat haben, wie ich dann wählen würde, je nachdem wie sich das Entrée entwickelt hat. Vielleicht - Jay sagte das ja schon - wollen die Leute eh mehr plaudern und die Lesung ist nur willkommener Anlass, sich zu treffen oder aus dem Haus zu gehen.
Weiters würde ich den Text in zwei Teile gliedern, dazwischen eine Pause. 20 Minuten ist schon eher Obergrenze, würde pro Teil 10-15 Minuten ansetzen. Im Zweifelsfalle auch die Leute fragen.
So, das waren jetzt ein paar Sachen, die mir auf die Schnelle eingefallen sind. Vielleicht war ja was Brauchbares dabei.
Generell einfach auf dynamische Veränderung und Anpassung vorbereitet sein. Alles kommt immer anders als erwartet
Liebe Grüße
Martin