Dieser Thread ist zwar schon ein bisschen älter, aber das Thema immer aktuell, finde ich.
Das Thema ist ja schon etwas älter, die Frage noch immer interessant und zeitlos. Mich beschäftigt das auch gerade, da einer der Protagonisten in meinem Buch eben so ein "Arschloch" ist. Ein alteingesessener Sheriff mit Alkoholproblem, rassistischen Tendenzen, homophob, cholerisch und mit einer Vergangenheit, geprägt duch häusliche Gewalt gegenüber seiner Frau. Ich mag ihn trotzdem Allerdings, wie Martin schon sagt, denke ich auch, dass es entscheidend ist, dem Leser einen Blick hinter die Kulissen zu gewähren. Dabei wird schnell klar, dass er im Grunde ein einsamer und trauriger Mensch ist, der einfach nicht über seinen Schatten springen kann und am Ende doch nur geliebt werden möchte.
Ich bin mal ehrlich: Mir hier eine Kehrtwende zu verkaufen würde nicht einfach werden. Umso beachtlicher, wenn es dir gelingen sollte.
Meiner Meinung nach kann - und sollte - ein Protagonist auch negative Seiten haben. Genau so, wie ein Antagonist durchaus seine guten Seiten haben kann. Schließlich sind es Menschen und da gibt es nicht viele, die ausschließlich gut oder böse sind. Zumal beides immer im Auge des Betrachters liegt.
Nehmen wir mal Stauffenberg als Beispiel. Die meisten Menschen heute finden das Attentat auf Hitler mutig, heldenhaft, alternativlos. Wäre ich seine Frau gewesen, hätte ich ganz andere Bezeichnungen dafür gefunden. 'Verantwortungslos' hätte wohl dazu gehört, bewusst das Leben seiner Kinder auf Spiel zu setzen.
Wichtig bei Charakteren ist wohl, die passende Mischung zu finden. Deswegen dachte ich mir bei obigem Post zuerst: Wow, das ist ein bisschen zu viel des Guten. Oder des Schlechten. Jeder Punkt für sich kann sicher abgearbeitet werden. Nur wie soll das glaubwürdig und für den Leser nachvollziehbar im Rahmen des 'normalen' Umfangs eines Romans passieren? Zumal es ja vermutlich noch eine Handlung neben der Charakterentwicklung gibt?
Ich persönlich mag es ja, wenn ein Charakter sich heimlich, still und leise verändert, ohne dass ich es merke. Wie Jaime in 'Das Lied von Eis und Feuer'. Ich habe keine Ahnung, wann er sich wie und warum geändert hat, er hat es aber getan. Deswegen ist das für mich eine der besten Entwicklungen, die ich bislang verfolgt habe. Im ersten Buch hätte ich am liebsten auch aus dem Fenster geworfen, inzwischen würde ich ihm persönlich die Krone auf den Kopf setzen.
Wo wir bei Vergleichen sind: Es gibt auch durchaus Protagonisten, die ich überhaupt nicht ausstehen kann. Der Schlimmste von ihnen, mit weitem Abstand ist: Harry Potter. Der ist ja so ... argh, ich finde gar keine Worte dafür. Also ja, bitte, der Protagonist muss auch mal A***loch sein. Unbedingt.