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THEMA: Österreichisch, Bayerisch, Schriftdeutsch....

Österreichisch, Bayerisch, Schriftdeutsch.... 11 Nov 2015 23:27 #3699

  • Kerstin B.
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Huhu,

gestern habe ich ein Buch gelesen, bzw. ich hab es (große Teile davon) vorgelesen. Interessant war, dass ich mit einigen Wörtern kein Problem hatte, mein Mann aber schon. Er fragte: "was ist das?"

Beispiel: "Ich holte mein Kleidung aus dem Kasten."

Mir war klar, daß es ein Schrank ist. Er hatte eine andere Vorstellung von einem "Kasten".

Das Buch spielt in Österreich. Ich persönlich finde, man 'hört' den Dialekt förmlich. Zugegeben, ich genieße es, meinem Mann stößt es aber auf.

Beispiel: Ich nützte die Zeit um....

Er besteht auf "nutzte" und ich denke er hat Recht. Aber wenn eine Geschichte in Österreich spielt, österreichische Wörter wie 'Kasten' u.a. im Text stecken, ist ein 'nützte' dann so schlimm?
Mein Mann sagt klipp und klar:

Schriftdeutsch schreiben, nichts anderes. Damit es auch ALLE verstehen können. Man könne nicht verlangen, dass der Leser Wörterbücher zu sämtlichen Dialekten vor sich liegen haben. :lol:

Ich gestehe, dass ich ihm Recht geben will und sollte, aber ich genieße den Dialekt auch total.

Also frage ich euch, wie seht ihr das?
Liebe Grüße,
Kerstin
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Österreichisch, Bayerisch, Schriftdeutsch.... 12 Nov 2015 04:18 #3700

  • Sheila
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Hallo Kerstin,

mein Vater kommt aus Oberbayern und ich habe viel Zeit in seiner Heimat verbracht. Somit habe ich mit dem Dialekt (ulkigerweise mit kaum einem deutschen Dialekt) wenig Problem.

Letztens habe ich ein Buch gelesen, das im Wiener Raum spielte. Es war sehr anstrengend, obwohl es bis auf einige Ausdrücke überwiegend in Schriftdeutsch - also die Worte im allgemein. verständl. Deutsch - geschrieben war. Der Knackpunkt: Die Satzstellung war eben *österreichisch/wienerisch* (in 1. Person, Singular - Ich-Erzähler geschrieben, somit passte es). Und obwohl es spannend war, war ich froh, als ich es durch hatte.

Ich selbst habe Heimatromane geschrieben. Da wurde mir von Verlagsseite gesagt: Erzähltext im Schriftdeutsch - auch die Satzstellung - aber gerne mit regionalen Ausdrücken, soweit sie verständlich sind (z. B. Dirndl - für junge Frau, Bursch - für das andersgeschl. passende Gegenstück usw.), Dialoge selbst gerne in bayerischer Satzstellung und mit Dialekt-Einsprengsel (Sakrakruzefixhallelujah, hoast mi?) - solange der Sinn deutlich und es gut zu lesen ist.

Persönlich lese ich gerne: Erzähltext Schriftdeutsch und Dialoge regional gefärbt. Was ich nicht mag sind Romane, die sowohl in Dialogen als auch Erzähltext in Schriftdeutsch gehalten sind, aber dann regionale Ausdrücke reinrutschen. Ein Bsp. aus einem Text (sinngemäß):

Er ging hinaus und schlichtete das Holz.

Ich kannte *schlichten* nur als Streit schlichten bzw. Etwas eben machen. 1. Gedanke: er hobelte/schleifte ein Stück Holz ab. Passte aber nicht zum Inhalt des Absatzes. Also bei Duden nachschlagen und siehe da: *schlichten* wird im österreichischen Raum für *Holz stapeln* verwendet.

Für meinen Geschmack sollte sich ein Autor dann entscheiden: entweder reines Schriftdeutsch - oder (gut verständliches) Regionales. Aber 97-98 % Schriftdeutsch und dann Regionalausdrücke, das geht für mich nicht.

Ich denke, Menschen, die gerne Regionales lesen, werden sich über so etwas freuen bzw. Leute aus dem Landstrich sich auch wieder erkennen. Aber dem Autor sollte klar sein: Je regionaler sein Roman in der Sprache ist, umso mehr grenzt er seine Leserschaft ein.

Eine Bekannte aus dem norddeutschen Raum hat in die Pfalz eingeheiratet und bekam ein Buch, in dem alles *uff gut pälzisch geschwallt* ist - die stand beim Lesen regelrecht vor einer Fremdsprache. Erst als ich es ihr vorgelesen habe, hat sie die Sätze verstanden. Hören eines Dialektes ist für viele Menschen wiederum einfacher als lesen.
Liebe Grüße

Sheila
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Österreichisch, Bayerisch, Schriftdeutsch.... 12 Nov 2015 11:15 #3701

  • ilonery
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Hallo Kerstin,

komme selber auch aus einer dialektträchtigen Stadt - hier trinkt man Kölsch nicht nur, man spricht es auch ;)

So, wie wahrscheinlich von jeder größeren Gegend mit starkem Dialekt, gibt es hier Bücher, die komplett in Kölsch geschrieben wurden. Ein Imi, so sagen wir Kölner zu den Nicht-Kölnern, würde sich solch ein Buch eher nicht kaufen, allenfalls zum Lernen des Dialekts.
Bei einem Köln-Krimi zum Beispiel erwarte ich jedoch Schreibdeutsch des Erzählers und wie Sheila schreibt den Dialekt allenfalls in den Dialogen.
Stehe ja selber gerade vor dem Dilemma, denn die Eltern meiner Prota sind Ur-Kölsche (alteingesessene Kölner) und es wäre nett, wenn diese auch so rüber kämen. Wenn die reines Kölsch in ihren Dialogen sprechen würden, würde so manch Kölner das auch schon nicht mehr verstehen (aussterbender Dialekt). Werde wohl eher das ein oder andere kölsche Wort einfliessen lassen. Macht es dann Sinn, wenn man die entsprechenden Wörter am Seitenende kurz übersetzt?
Liebe Grüße aus Köln
ilonery
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Österreichisch, Bayerisch, Schriftdeutsch.... 12 Nov 2015 12:25 #3702

  • Sheila
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Hallo Ilona,

ich kann es jetzt nur vom Lektorat der Heftromane sagen:

Übersetzungen unerwünscht. Der Wortsinn muss aus dem Zusammenhang klar werden.

Ein kleiner Kniff den ich gerade aktuell anwende:

"Porco Zio!"
"Nix da mit Schweine-Onkel ..."
Liebe Grüße

Sheila
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Österreichisch, Bayerisch, Schriftdeutsch.... 12 Nov 2015 12:53 #3703

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Hallo Sheila,

lieben Dank für den Hinweis und dem wirklich guten Kniff.

In meinem Fall wäre das dann adäquat:

"Wie gehts dem Malörche?"
Inas Magen krampfte sich zusammen, sie hasste es, wenn ihr Vater ihr immer wieder ihr Malörche, ihr unehelich geborenes Kind vorhielt und sagte bockig "sie heißt Valerie, Papa! Va-le-rie!".
Liebe Grüße aus Köln
ilonery
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Österreichisch, Bayerisch, Schriftdeutsch.... 12 Nov 2015 13:58 #3705

  • Sheila
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Hallo,

ich würde es anders schreiben. Ich nehme an, *Malörche* geht auf das Wort *Malheur* - Unfall, Missgeschick - zurück, oder?

"Wie gehts dem Malörche?"
Inas Magen krampfte. Sie hasste es, wenn ihr Kind von Vater immer wieder als *uneheliches Missgeschick* betitelt wurde. "Sie heißt Valerie, Papa! Va-le-rie!".
Liebe Grüße

Sheila
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Österreichisch, Bayerisch, Schriftdeutsch.... 12 Nov 2015 14:14 #3706

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Deine Formulierungen gefallen mir gut :)
Es ist richtig, dass Malörche für einen Unglücksfall steht, im Kölschen ist damit idR jedoch ein uneheliches Kind gemeint, somit trifft ein "uneheliches Missgeschick" in diesem Fall nicht ganz zu, wenn gleich ich zugeben muss, dass dies ausserhalb des Rheinlandes eher so aufgefasst und verstanden werden will, wie Du es formulierst.
Ich weiß durch meine Jahre in München, dass es dort ähnliche Redewendungen und Wörter gibt, deren Sinn ausserhalb von Bayern schwer zu erfassen oder wirklich sinngemäß zu übersetzen gehen ;)

Sollte es tatsächlich Einzug in meinen Krimi halten, darf ich Deine Formulieren übernehmen?
Liebe Grüße aus Köln
ilonery
Letzte Änderung: 12 Nov 2015 14:18 von ilonery. Begründung: Ergänzung letzer Satz
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Österreichisch, Bayerisch, Schriftdeutsch.... 12 Nov 2015 14:24 #3707

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Hallo Ilonery,

dann nimm doch

Sie hasste es, wenn Vater ihr Kind immer als *uneheliches Balg* betitelte.

Und klar darfst du übernehmen.

Übrigens erinnert es mich daran, dass in den 60er/70er auch bei uns uneheliche Kinder als ein *Malheur* benannt wurden.
Liebe Grüße

Sheila
Letzte Änderung: 12 Nov 2015 14:32 von Sheila.
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Österreichisch, Bayerisch, Schriftdeutsch.... 12 Nov 2015 14:25 #3708

  • Martin
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Hallo ilonery,

ich würde deiner ursprünglichen Formuliereung den Vorzug geben, vielleicht minimal angepasst:

Inas Magen krampfte sich zusammen. Sie hasste es, wenn ihr Vater ihr immer wieder ihr Malörche, ihr unehelich geborenes Kind vorhielt. Sie stampfte mit dem Fuß auf (oder: sie ballte die Fäuste) und sagte: "Sie heißt Valerie, Papa! Va-le-rie!".

Adjektive mit einem zweifelnden Auge zu betrachten ist immer eine gute Idee ;-)

Liebe Grüße
Martin
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Österreichisch, Bayerisch, Schriftdeutsch.... 12 Nov 2015 15:17 #3709

  • ilonery
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Martin schrieb:
Adjektive mit einem zweifelnden Auge zu betrachten ist immer eine gute Idee ;-)

Lieben Dank Martin,

Du hast mir einen sehr wichtigen Schubs gegeben, jedenfalls wenn ich den Zusammenhang richtig verstehe:
Prüfen, ob eine Gefühlslage durch Aktion (Verben) besser ausgedrückt werden kann, als durch den bloßen Gebrauch eines Adjektivs?
Liebe Grüße aus Köln
ilonery
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Österreichisch, Bayerisch, Schriftdeutsch.... 13 Nov 2015 15:12 #3724

  • Kerstin B.
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Sheila schrieb:
Hallo Kerstin,

Der Knackpunkt: Die Satzstellung war eben *österreichisch/wienerisch* (in 1. Person, Singular - Ich-Erzähler geschrieben, somit passte es). Und obwohl es spannend war, war ich froh, als ich es durch hatte.

Ich weiß, was du meinst. Ein Satz kam mir die ganze Zeit merkwürdig vor. (Er kam öfter vor.)

"Ich erwarte mir von dir...."

Fühlte sich für mich jedenfalls merkwürdig an. Würde man nicht eher:
"Ich erwarte von dir..."
schreiben?

Es gab mehrere Solche Sätze, Satzstellungen. Das ging über drei Bücher so. Wenn man das nicht gewohnt ist, ist es echt anstrengend. Vielleicht hat die Autorin das gemacht, weil die Geschichte in Österreich spielt, wäre möglich. Aber dann hätte ich persönlich es nur im Dialog gemacht.
Liebe Grüße,
Kerstin
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Österreichisch, Bayerisch, Schriftdeutsch.... 13 Nov 2015 15:39 #3725

  • Martin
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ilonery schrieb:
Prüfen, ob eine Gefühlslage durch Aktion (Verben) besser ausgedrückt werden kann, als durch den bloßen Gebrauch eines Adjektivs?
Ja genau, ilonery. Es gibt da ja diesen Slogan fürs Erzählen ›Show don't tell‹, der das knackig ausdrückt. Adjekteive sind natürlich ab und zu notwendig und können auch kürzer zum Ziel führen, wenn - das auch sein muss und gewollt ist. Bei vielen Adjektivanwendungen komme ich mir als Leser - allerdings kann ich den Grund auch erst erklären, seit ich mich mit dem AHandwerk auseinandersetze - bevormundet vor. So, als ob mir der Autor sagen wollte, wie ich ein Bild sehen muss.

Beschreibt man hingene eine Situation ganz neutral, dann hat der Leser die Möglichkeit, seine Gefühle hineinzuentfalten. Also nach dem ersten Schreibdurchgang bei Patchwork mal die Adjektive zeigen lassen und über jemden ein wenig brüten ;-)

Liebe Grüße
Martin
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