Stichwort
Willkommen, Gast
Handwerkliche Praxis: von Perspektiven bis zu Rückblicken. Hier bitte KEINE Rechtschreibthemen, diese unter Nachschlag(en)

THEMA: Auch Anführungszeichen gehören zum Schreiben

Auch Anführungszeichen gehören zum Schreiben 18 Mär 2014 19:50 #254

  • Jay
  • Jays Avatar
  • OFFLINE
  • FrischlingIn
  • Beiträge: 30
Nur mal so gefragt: Zu welchem Schreiben gehören die Anführungszeichen? Selbst die experimentellsten und verrücktesten Kriminalromane enthalten meist korrekt all diese Zutaten, aber wieviel poetische Experimente, erst geschmäht, dann Weltliteratur (komisches Wort, aber über James Joyce müssen wir nicht diskutieren), haben ganz andere Strukturen, also die Literatur wächst und gedeiht nicht ob der Anführungszeichen und Befolgen aller pro Land vorgegebenen Regeln. Denke ich.
Jay
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.

Auch Anführungszeichen gehören zum Schreiben 18 Mär 2014 20:17 #255

  • Samanter
  • Samanters Avatar
  • OFFLINE
  • Schreibsuchtalarm
  • Beiträge: 382
:lol: :lol: :lol: Martin!
Nun stell dir vor es sind männliche Models. Wo spart man da den Busen aus? Auweiha, du und deine Zweideutigkeiten. Nun siehst du, was du damit anrichtest.

Jay!

Ja, ich glaube ich muss meine Meinung etwas revidieren. Du hast Recht. Erst durch Änderungen, neue Ideen die anfangs noch ungewohnt und vielleicht sogar provokativ sind, entwickelt sich etwas weiter. Ganz besonders Kunst, da die ja hauptsächlich davon lebt. Was genau heißt denn Kunst? Ich glaube: Kunst sind Dinge deren Zweck über den praktischen Gebrauch weit hinaus geht oder ihn sogar der Schönheit zuliebe komplett verdrängt. Kunst ist etwas was sich durch ungewöhnliche Merkmale die nur schwer zu kopieren sind auszeichnet. Erst wenn diese ungewöhnlichen Merkmale kopiert werden und die betreffende Kunst zum allgemeinen Standard wird, wird sie zum reinen dienstleistenden Handwerk. Insofern ist Neues, ungewöhnliches und ja, auch regelbrechendes sogar zwingend notwendig, um Kunst als Kunst weiter zu entwickeln. Kann man das so sagen?

LG Sam
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.

Auch Anführungszeichen gehören zum Schreiben 18 Mär 2014 20:48 #258

  • Jay
  • Jays Avatar
  • OFFLINE
  • FrischlingIn
  • Beiträge: 30
Das kannst Du so sagen, das ist ein guter Gedanke. Und: Deshalb ist es für alle, die mehr wollen als Dienstleister und Servicepersonal zu sein, auch anstrengend - zu arbeiten. Jeder Schreiner, jede Städteplanerin, jeder Autor, der die mehr wollen mit dem, was sie tun, haben dann sehr oft ein Problem. Wobei "wollen" nicht ganz richtig ist.

Herzlich
Jay
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.

Auch Anführungszeichen gehören zum Schreiben 18 Mär 2014 22:08 #262

  • tatwort
  • tatworts Avatar
  • OFFLINE
  • Diagnose: neugierig
  • Beiträge: 82
Hallo Jay!

Ich vermute, dass dein Statement primär provozieren soll, jedenfalls habe ich den Eindruck.
Nur mal so gefragt: Zu welchem Schreiben gehören die Anführungszeichen?
Bisher, zu jedem Buch.

Vch kovno, kan sollto da otwas dvfforonzvoron. Ovn Oxporvkont zu wagon, vndok kan ovn Buch voröffontlvcht, das vorbov an allon sprachlvchon Rogoln dor Kokkunvkatvon jodon norkalon Loser dofvnvtvv stark fordort, uk nvcht provozvvort zu sagon, vst ovno Sacho.

Ich habe nur ein kleines Experiment gewagt und ein paar Buchstaben vertauscht: m = k, e = o, i = v

Ich denke, es wird klar, dass ein Leser so etwas eher nicht lustig findet und sich die Begeisterung für das Experiment sicherlich schwer in Grenzen hält.

Hier der normale Text.
Ich meine, man sollte da etwas differenzieren. Ein Experiment zu wagen, indem man ein Buch veröffentlicht, das vorbei an allen sprachlichen Regeln der Kommunikation jeden normalen Leser definitiv stark fordert, um nicht provoziert zu sagen, ist eine Sache.

Provokativ so zu tun, als gehörten Anführungszeichen dem Spießertum der Literatur an und anzudeuten, dass so etwas die Weltliteratur nach vorne bringen könnte und sogar bereichert, ist aber eine andere Sache, meine ich. Okay, die Weltliteratur würde um ein Buch reicher. Aber es wäre wahrscheinlich ein Buch, auf das der Leser verzichten kann, nicht aber ein Buch, das den Leser dahin gehend läutern lässt, dass Anführungszeichen spießig und überflüssig sind. Dazu bedarf es die Überzeugung etlicher Millionen Leser und die Erleuchtung aller anderen Autoren und die Einsicht der Verantwortlichen, das deutsche Regelwerk dahin gehend zu ändern, auf Anführungszeichen demnächst zu verzichten.

Wenn die darstellende Kunst der schriftlichen Wiedergabe eines Romans den Leser einmalig provozieren soll, dann mag das durchaus in Ordnung gehen. Es ist dann eben eine Form und ein Recht der künstlerischen Freiheit. Mehr kann es meiner Ansicht nach aber nie sein.

Na ja, so sehe ich es.
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.

Auch Anführungszeichen gehören zum Schreiben 19 Mär 2014 11:43 #264

  • Linda
  • Lindas Avatar
  • OFFLINE
  • Tja: schreibsüchtig
  • Beiträge: 562
Tatwort, ich sehe das genauso wie Du. Vielleicht gäbe es einige wenige Leser, die sich damit anfreunden könnten. Ich erinnere hierbei an die Dadaisten, die auch nicht sehr erfolgreich waren.

Liebe Grüße
Linda
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.

Auch Anführungszeichen gehören zum Schreiben 19 Mär 2014 14:31 #265

  • tatwort
  • tatworts Avatar
  • OFFLINE
  • Diagnose: neugierig
  • Beiträge: 82
Hallo Linda!

Eben. Es freut mich, dass ich mit meiner Ansicht nicht alleine dastehe. Es ist natürlich nicht so, dass die Weltliteratur in ihrer derzeitigen Form für immer und ewig festgezurrt ist. Der eine oder andere Impuls mag da durchaus willkommen sein.

Wenn ich nur an die Erfindung der erlebten Rede vor 1-2 Jahrhunderten in Frankreich erinnern darf. Obwohl im internetlosen Zeitalter ins Leben gerufen, hat die erlebte Rede in einem Wahnsinnstempo alle Sprachbarrieren und Kontinente überwunden und sich ohne Widerstand kompromisslos durchgesetzt. Dabei handelte es sich allerdings um inhaltliche Verbesserungen, nicht um profane Spielereien der darstellenden Schriftform.

Liebe Grüße
tatwort
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.

Auch Anführungszeichen gehören zum Schreiben 19 Mär 2014 14:56 #266

  • Martin
  • Martins Avatar
  • OFFLINE
  • Steuermann
  • Beiträge: 1455
  • Dank erhalten: 18
Ich glaube, dass wir von zwei Sachen reden.

Will ich einem Standard gefallen, um bei einer Masse anzukommen, dann werde ich mich nach den Massenregeln richten.

Will ich mein Leben mir selbst widmen, dann werde ich Grenzen ausloten. Meine persönlichen und die Grenzen der Masse ebenso.

Variante eins wird mir eventuell Geld und Anerkennung von anderen bringen und das ist das Ziel Vieler.

Die andere Alternative wird mir Unabhängigkeit und echtes Selbstbewusstsein aus mir selbst heraus schenken, was aber Geld und Anerkennung nicht ausschließt.

Mit Sicht eins werde ich nichts Herausragendes schaffen, mit der zweiten eventuell die Welt verändern.

Und, tatwort, weil du das gerade geschrieben hast mit der Erfindung der erlebten Rede: In welcher Gruppe glaubst du, dass die Erfinder zu suchen waren?

Viele Grüße
Martin
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.

Auch Anführungszeichen gehören zum Schreiben 19 Mär 2014 15:09 #267

  • tatwort
  • tatworts Avatar
  • OFFLINE
  • Diagnose: neugierig
  • Beiträge: 82
In der Gruppe, die den Lesern keine Erschwernisse, sondern Verbesserungen bringen?
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.

Auch Anführungszeichen gehören zum Schreiben 19 Mär 2014 15:41 #268

  • Martin
  • Martins Avatar
  • OFFLINE
  • Steuermann
  • Beiträge: 1455
  • Dank erhalten: 18
tatwort schrieb:
In der Gruppe, die den Lesern keine Erschwernisse, sondern Verbesserungen bringen?
Ich glaube, wir sehen die Sache einfach von zu unterschiedlichen Gesichtspunkten aus. Das ist nichts Schlechtes, aber mit der Verständigung wird es in so einem Fall schwierig. Deshalb würde ich von mir aus zu diesem Thema vorschlagen, einfach beide Ansichten unbewertet so stehen zu lassen, wie sie sind.

Okay für dich?

Viele Grüße
Martin
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.

Auch Anführungszeichen gehören zum Schreiben 19 Mär 2014 15:49 #269

  • tatwort
  • tatworts Avatar
  • OFFLINE
  • Diagnose: neugierig
  • Beiträge: 82
Ja natürlich! Ist völlig okay.

Ich konnte nur nicht anders, als ich den Verzicht auf Anführungszeichen in einem Topf mit einer angedeuteten möglichen Verbesserung der Weltliteratur angedeutet sah.

So provoziert, hat es mich einfach gejuckt. Sorry, ich wollte damit niemandem zu nahe treten.
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.

Auch Anführungszeichen gehören zum Schreiben 19 Mär 2014 15:54 #270

  • Andrea
  • Andreas Avatar
  • OFFLINE
  • Schreibinfiziert
  • Beiträge: 227
Es tut mir jetzt leid, aber ich muss zugeben, dass ich die "Aufregung" jetzt gar nicht verstehe.
Es geht ja nicht darum, dass im Rahmen einer neuerlichen Rechtschreibreform beschlossen werden soll, die Anführungszeichen künftig abzuschaffen.

Mir ist schon klar, dass in den Fließtext eingefügte Dialoge nicht jedermanns Sache sind. Für mich sind sie in dem Fall ein Stilmittel, ein Experiment, auf das sich der Leser einlassen kann oder eben nicht. Es wird sicher Leser geben, denen das auf diese Weise zu anstrengend zu lesen ist. Es wird aber sicher auch welche geben, die damit gut zurecht kommen und denen es gefällt.

Ich persönlich finde es spannend und legitim, dass man auch mal etwas anderes versucht. Natürlich kann das schief gehen, aber ein nach allen gängigen Regeln befolgtes Werk, führt auch nicht zwingend zum Erfolg.
Ich meine, man muss das einfach im jeweiligen Fall entscheiden, es geht ja auch noch um die Geschichte, den Text an sich. Am Ende bleibt es eh auch immer eine Geschmackssache, zudem wird ja niemand gezwungen, etwas zu lesen, das einem nicht zusagt.

Schönen Nachmittag
Andrea
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.

Auch Anführungszeichen gehören zum Schreiben 19 Mär 2014 16:01 #271

  • Martin
  • Martins Avatar
  • OFFLINE
  • Steuermann
  • Beiträge: 1455
  • Dank erhalten: 18
tatwort schrieb:
Sorry, ich wollte damit niemandem zu nahe treten.
Hab ich auch überhaupt nicht so aufgefasst, alles in bester Ordnung. Andrea hat das eh schön auf den Punkt gebracht, wie ich es sehe.

Vielleicht können wir aber wirklich mal drüber reden, wenn wenigstens eine KG heraußen ist. Oder noch besser: Ich kann ja mal den Autor fragen, ob er eine für uns zur Diskussion ider Geschichtenwerkstatt zur Verfügung stellt. Am praktischen Beispiel redet es sich da leichter, denke ich.

Viele Grüße
Martin
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.

Auch Anführungszeichen gehören zum Schreiben 19 Mär 2014 18:10 #272

  • Jay
  • Jays Avatar
  • OFFLINE
  • FrischlingIn
  • Beiträge: 30
jetzt bin ich etwas irritiert: die Dadaisten waren nicht "erfolgreich"?

Ja, ich denke Martin hat es wunderbar aufgelöst
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.

Auch Anführungszeichen gehören zum Schreiben 19 Mär 2014 18:15 #273

Ich bin schon der Meinung, dass sich ein Autor um ausgezeichnete Rechtschreibung bemüht, das unbedingt. Das sollte dem Autor schon aus Respekt vor seiner Idee, vor seinem Text wichtig sein.

Trotzdem - große Beispiele der Literaturgeschichte belegen, dass die Intention des Autors sich auch über Regeln hinwegsetzen darf und manchmal sogar muss. Heiner Müllers BILDBESCHREIBUNG beispielsweise verzichtet auf Punkte. Dadurch bekommt der Text etwas Atemloses, Gehetztes. Der Leser wird durch diesen Trick zum Zuschauer in einem Theater ohne Bühne.

Wenn es um Anführungszeichen geht, bin ich ebenfalls der Meinung, dass die Tonalität des Textes da ruhig bestimmen kann, ob Anführungszeichen gesetzt werden. In meinem Roman TIEFROT, der bei Orangecursor erscheinen wird, sowie bei einigen meiner Kurzgeschichten habe ich bei wörtlicher Rede vollständig auf Anführungszeichen verzichtet. Das mag zunächst gewöhnungsbedürftig sein, stärkt aber unbedingt die Erzählperspektiven meiner Figuren. Sowohl wörtliche Rede, als auch Gedankenstimme (innerer Monolog) werden auf das selbe Niveau gehoben und stehen gleichberechtigt nebeneinander. Die Chance für den Leser, wenn er sich darauf einlässt, ist, tiefer, intensiver in die Figuren einzudringen.

Meine Erfahrung damit ist, dass das natürlich nicht immer funktioniert, es kommt selbstverständlich auf den Stoff und das Sujet an. Die Qualität eines Textes hängt nicht unmittelbar von korrekter Rechtschreibung ab, aber das Bemühen darum empfinde ich als wichtig, um ein Stück zurückzutreten und damit das ganze Bild erkennen zu können.

Andrea hat das sehr schön formuliert, danke. Und mit einer klugen Textgestaltung und dem intelligenten Gebrauch von Absätzen kann das Stilmittel einen Text und damit das Leseerlebnis sehr bereichern.
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.

Auch Anführungszeichen gehören zum Schreiben 19 Mär 2014 18:16 #274

Ja, Martin, wie Du mich eben in der Mail gefragt hast, darfst Du gerne die KG als Beispiel posten.
Gruß Daniel
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.