Hallo Sam,
zum Literarischen:
keine Angst, der rote Faden bleibt erhalten
Nur könnte man aufgrund des Anfangs vielleicht denken, das Ganze bliebe relativ handlungsarm und liefe ganz hauptsächlich über Gespräche und Diskussionen ab ... ohne eine äußere Handlung, die auch für etwas Spannung sorgt. Wer sich nun wie Du ganz freudig auch auf die weltanschaulichen Diskussionen einläßt, für den ist das Buch hoffentlich von Anfang an nicht langweilig.
Genremäßig ist es wohl ein Entwicklungsroman.
Zum Weltanschaulichen:
Unparteiisch? Das wäre eine zu steile Behauptung, denn wahrscheinlich kann man jedem Autor irgendeine Haltung nachweisen. Aber es gibt die Möglichkeit, Respekt auch vor anderen Überzeugungen zu haben und für einen Erzähler durchaus auch die Möglichkeit, mal die Perspektive zu wechseln. Das ist umso mehr möglich, weil ja auch der persönliche Glaube nichts völlig Statisches ist, und sich das eigene Weltbild ja auch im Laufe des Lebens entwickelt.
Dein Bild von Christen/Christentum - Rolle der Kirche scheint eher katholisch geprägt zu sein. Jeder evangelische Christ könnte dir z.B. entgegenhalten, dass "seine Kirche" ja schon eine Reaktion auf die von einigen von dir angesprochenen Missstände ist.
Aber der Protestantismus wirkt natürlich von außen besehen deshalb nicht immer wirklich glaubwürdiger.
Was die Bibel betrifft gibt es z.B. nach evangelischem/protestantischem Verständnis keine Deutungshoheit der Kirche und ich kann mit meinem Verstand und meinen realen Lebenserfahrung an die Sache herangehen und darf auch sagen, was mir unverständlich bleibt oder wo ich Bibelstellen für missverständlich halte. Übrigens nehmen sich auch viele Katholiken diese Freiheit -- Gleichzeitig gibt es innerhalb des Christentums in allen Konfessionen auch einen Fundamentalisismus. Und da hast du Recht: in den Augen eines Fundamentalisten bin ich sicher ein schlechter Christ oder gar keiner ...
Aber diese bösartige Form des Fundamentalismus ist mir bisher nur selten begegnet. Selbst ein konservativ katholisches Nachrichtenportal hat "Aljoscha" positiv besprochen.
Einige Deiner Anfragen, z.B. auch Angst- und Machtstrukturen betreffend, sind in den Salon- und Nachtgesprächen in "Aljoscha" sicher aufgegriffen, aber nicht mit dem Anspruch, immer befriedigende Antworten zu liefern. Manchmal haben vielleicht unterschiedliche Figuren unterschiedliche Antworten -- eine Leserin identifiziert sich z.B. nach eigenem Bekunden mit den Aussagen einer Romanfigur, die sich nicht unbedingt mit meinen eigenen Ansichten decken. Bin darüber nicht traurig Das zeigt, dass mir bis zu einem gewissen Grad gelungen ist, die Überparteilichkeit herzustellen.
Ich freu mich, wenn Du erwartungsvoll an die Lektüre herangehst und freu mich auch über einen weiteren Gedankenaustausch.
LG, Rainer
PS: vielleicht funktioniert der link zu den Rezensionen hier:
http://roman-aljoscha.npage.de/rezensionen.html