tatwort schrieb:... Zum Beispiel Aussagen wie: Eine nicht enden wollende Masse hunderter (tausender, etc.) Soldaten quälten sich die Straße entlang. Der Duden will hunderte, tausende usw. groß scheiben. Pons sagt, man soll solche Angaben grundsätzlich klein schreiben.
Vermutlich hat dir ein Schreibprogramm den Quatsch eingerdet? Wie Samanter es bereits sagte, geht es um die Frage, ob das Wort als Adjektiv oder Substantiv verwendet wird. Aber das ist mittlerweile eh klar. Wie gesagt sind diese integrierten Duden weit davon entfernt, einem Sicherheit geben zu können. Im Gegenteil: Man verlässt sich irgendwie darauf und ist dann verwirrt, wie du es erlebst.
Ich finde es wichtig zu verinnerlichen, dass keine Software der Welt es schafft, das was man schreibt, großartig zu verbessern. Irgendwie ist schreiben wie Tod und Geburt: Man ist dabei alleine. Es ist eine riesige Verlockung - und ich finde das mega-unfair! - von einem Programm zu sagen, dass es dabei hilft, Geschichten besser oder großartig fehlerfreier zu schreiben. Bei Patchwork habe ich das zum Beispiel auch gar nicht versucht. Ja, ich habe zum Beispiel die Stilhilfe eingebaut, weil ich sie eine lustige Sache finde, aber wirklich hilfreich finde ich speziell dieses Feature eigentlich nicht, sondern ganz andere. Und zwar vor allem den ganzen Organisations-Krimskrams, der mit unseren Geschichten zusammenhängt, unter einen sauber aufgeräumten Hut zu bringen.
Samanter schrieb:Der einzige Unterschied besteht daran, dass beim Schreiben technisches Wissen und Fertigkeiten eben nicht reichen sondern auch Talent von Nöten ist. Das aber kann man auch mit noch soviel Fleiß nicht erlernen. Anderseits fühlt man sich nicht ernsthaft zu etwas berufen, wenn man absolut kein Talent dafür hat. Oder gibt es so etwas?
Ich glaube nicht, dass zwischen dem Schreiben und Malen oder Musizieren und anderer Kunst ein großer Unterschied ist. Die einen behaupten, Kunst käme von können und ich stelle dem entgegen, dass Kunst gleichermaßen vom künden kommt, also davon,etwas zu vermitteln. Also etwas dem Leser, Betrachter, Zuhörer zu künden, wofür sosohl Inhalt als auch Darreichungsform ausschlaggebend sind.
Und ja, freilich gibt es das dringende Bedürfnis, etwas zu künden und das Talent dazu fehlt. Denn es sind bei jeder Kunst zwei Seiten zu sehen: Der sie macht und der sie dann inhaliert. Talent ist die natürliche Fähigkeit, sag ich jetzt mal, das, was man künden möchte, von Natur aus so aufbereiten zu können, dass es beim Empfänger auf möglichst große Resonanz trifft. Und das wiederum wird dann geschehen, wenn man beim Empfänger Bilder erstehen lassen kann. Und genau da kommt das Handwerk ins Spiel. Denn für das passende Ankommen gibt es Kriterien: Es soll nicht holpern (Rhythmus), es soll zum Gegenüber fließen (keine zu heftigen Verschachtelungen), es soll das Gegenüber zum Erleben ermutigen (show, don't tell) usw. Dabei natürlich immer unter der Einschränkung, dass man nicht etwas ganz Bestimmtes damit bezweckt.
Auch glaube ich, dass ›Talent‹ sehr viel mit Zuhörenkönnen zu tun hat. Denn ich kann mich nur in die Seele eines Menschen schreiben, dessen Seele ich kenne. Okay, jetzt aber Ende dazu, das ist nämlich ein Buchthema ...
Samanter schrieb:Eine Regel die ich aber nur noch auswendig lernen und stur anwenden kann geht für mich gar nicht. Ganz ehrlich, beim sturen Erlernen und Anwenden von trockenen Definitionen, wie virtuos auch immer, geht mir einfach meine Kreativität ab. Beim Zusammenspiel von Logik UND Gefühl kann ich mir wenigstens noch etwas davon erhalten.
Ja klar. Die gute Nachricht dabei: Bei der Sprache ist im Allgemeinen beides vorhanden, da sich trotz NDR Sprache entwickelt hat. Ich selbst lerne gar nichts auswendig, das war noch nie meine Stärke. Für sowas mach ich mir Patchwork mit der Orthografischen Bibliothek, in die ich solche Sachen, die nicht in den Kopf wollen reintue und immer wieder nachschlage. Neuronale Verknüpfung geht nicht nur durch Hineinprügeln, sondern auch durch sanftes Wiederholen.
Samanter schrieb:Zum Beispiel: Und, was meinst du?
Hier nicht mehr, weil da lt. Regelwerk tatsächlich kein Komma hingehört und die Pause deshalb anders (mit regelkonformen) Satzzeichen ausgedrückt werden kann. Nämlich so: Und? Was meinst du? Oder auch so: Und ... Was meinst du? Beides hört sich anders an. Je nach dem wie es sich anhören soll, muss ich meine Satzzeichen wählen. Aber es gibt immer eine Variante die auch regelkonform ist. Davon bin ich jedenfalls überzeugt.
Ich stimme dir insofern zu, als man versuchen sollte, sich innerhalb der Regeln zu bewegen, keine Frage. Und das sollte auch nur ein Beispiel sein. Trotzdem klingt ›Und, was meinst du?‹ anders als deine angebotenen Varianten, die deshalb nicht als regelkonformen Ersatz betrachte. Nur eine Nuance. Aber eine Nuance ...
Generell sind Regeln
lediglich eine Hilfestellung für noch nicht so Geübte! Und sie sind sehr wichtig auf dem Weg zur Virtuosität! Aber trotzdem darf man m.E. den Spruch ›Ausnahmen bestätigen die Regel‹ nicht vergessen.
Ein interessantes Beispiel werden die Kurzgeschichten von Daniel Anderson sein, die demnächst heruaskommen werden: Er verwendet keine Anführungszeichen für die direkte Rede. Spannend! Da werden wir eine menge zu diskutieren haben
Liebe Grüße
Martin