Guntram Vespers prämiertes Opus Magnum
Frohburg - habt ihr schon mal einen Blick hineingeworfen? Es vielleicht sogar gelesen
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[/b]Sehr lehrreich, weil Plotten nicht nötig. Keine Dialoge. Telegrammstil. Zumindest auf den ersten zehn, zwanzig, dreißig Seiten. Oder mehr. Beispiele sind Originalzitate. Incl. Fehler.
„Brückengasse. Wyrhabrücke. Gußeisenkonstruktion aus Cainsdorf, Königin-Marien-Hütte. Unter jedem Laster Zittern, Beben, Schwingen. Auch bei Hochwasser und Eisgang: Treibgutbalken, Schollenstoß. Töpferplatz. Die Maulbeerhecke. Eßbar oder. Drei Trittstufen zur Schöpfe. Der alte Bürstenmacher Prause bis zum Knie im seichten Fluß: Auf Wiedersehn, du schöne Welt. Von der Tochter zurückgeschleppt ins Haus und eingeschlossen, warum auch nicht, muß sein. Lindenreihe. In den Hundstagswochen, vor Gewittern schwarzrotes Gewimmel der Franzosenkäfer. Greifenhalder Straße.“
Stilwechsel. Jetzt aber, Tempo raus. Hält Leser bei Laune. Begeistert Kritiker. Seitenlang kein Absatz. Warum auch? Muss nicht. Im Beispiel: Zuerst ein Satz, zum Luftholen. Flow folgt: ungezügelte Assoziationen, sechs Zeilen kein Punkt. Uff.
„Die Geschichten, die ich als Kind vorgebetet, eingeredet, eingetrichtert bekam, auf die ich mich stürzte, an die ich mich hielt, waren meist falsch. Erst die Fortsetzungen, die ich mir selber ausdachte, bald danach oder später, sogar sehr viel später oder kürzlich erst, klangen einigermaßen wahr, wenn ich sie mir erzählte, immer wieder erzählte, mit Ergänzungen, Wiederholungen, mit Abweichungen, Abirrungen unzähligen Fassungen, von Widersprüchen durchsetzt, von Verschleierungen überzogen, im sommergrünen Fliederbaum der Großeltern auf dem waagerecht wippenden Hauptast sitzend und auf und niederschaukelnd, dicht über dem Gartenzaun zum Hölzchen hin. Oder kurz vor dem Einschlafen, ..."
Im Original folgt ein weiterer fünfzeiliger Satz, wo eine ähnliche Situation beschrieben wird, jedoch nicht im Sommer, nein, im Winter, im ungeheizten Kinderzimmer, wo die Kälte gegen die knackenden Scheiben drückt und man sich fragt, wie sie – die Kälte – das macht, obwohl es eine sinnlose Frage ist, weil man ahnt, spürt, vermutet, errät und in der Tiefe seines Herzens fürchtet, dass es darauf keine Antwort geben wird, weil es keine gibt.
Uff. Geht doch. Oder? Sollte nochmal ein Lektor meckern über zu kurze oder zu lange Sätze, dann hat er keine Ahnung von
Kunst!