Hallo Frank!
Zuerst einmal herzlich willkommen in unserer Runde der Schreiber und derer, die es werden wollen!
Freut mich, wenn du das Buch grundsätzlich als nützlich empfindest. Es richtet sich vor allem an Neueinsteiger und leicht geübte Autoren. In diesem Stadium gibt es ein paar Sachen, die ein Buch, das sonst gut werden könnte, ruck-zuck verhageln können. So wie in den meisten Sportarten gibt es auch beim Schreiben Pflicht und Kür. Zur Pflicht gehört bei uns das Wollen, sich mit dem Schreibhandwerk auseinanderzusetzen und es sich im Lauf der Zeit immer mehr einzuverleiben. Erst dann, wenn man dabei einen guten Level erreicht hat, sollte man sich auf Experimente einlassen.
Zu denen gehören auch Rückblenden. Sie sind eine heikle Angelegenheit, denn sie haben ein Makel, das man nie wird entfernen können: Sie reißen den Leser aus der Geschichte. Auch wenn sie noch so gekonnt eingesetzt werden, ist durch sie der Leser dazu gezwungen, in eine andere Geschichtsebene zu wechseln. Viele Leser sind dazu ungern bereit, denn es holt sie aus der Behaglichkeit der einen Blase, Fenster auf, kalter Luftzug, und es dauert, bis sie sich in der anderen wieder behaglich fühlen.
Um das unumgängliche Rückblendenleid für den Leser erträglich zu machen, gibt es einiges zu bedenken. Dazu sind Newbies am Anfang oft gar nicht bereit, sondern sie wollen einfach drauflosschreiben. Verständlich, denn das da drin will alles erst einmal raus. Rückblenden sind zudem oft durch Neueinsteigerthema bedingt: die Überzeugung, etwas aus der Vergangenheit erklären zu müssen. Also warum kam es dazu, wie es ist, warum handelt die Figur heute so. Das sind Fragen, die für den Autor absolut wichtig zu beantworten sind, aber für den Leser und damit die Geschichte meist irrelevant. Oft habe ich gehört: ›Ich finde, es ist wichtig, zu wissen, dass ...‹ Für den Autor unbedingt. Aber für Geschichte und Leser ist es im Gegenteil selten wichtig, warum etwas ist, wie es ist. Geschichten sind in der Regel (kurze) Lebensabschnitte. Natürlich kann man mal Bezug nehmen auf Kindheit & Co. das kann man aber oft eleganter in einem kurzen Dialog oder Randbemerkungen. Wirklich wichtig ist das, was gerade passiert, wie die Figur gerade erlebt und fühlt und sich entwickelt. Über dieses Thema habe ich schon oft diskutiert und es ist schwer, Jungautoren die Unnotwendigkeit der Rückblenden zu zeigen.
Ausnahmen gibt es natürlich. Rückblenden können ein spannendes Stilmittel sein, aber nur dann, wenn sie wirklich gekonnt eingesetzt werden. Und gekonntes Einsetzen gelingt nur mit einer ordentlichen Portion Übung und Know-how. Aus diesem Grund habe ich in dem Buch Rückblenden nicht gut wegkommen lassen. Es soll abschreckend sein, auch wenn ich weiß, dass das gern den Trotz von Neueinsteigern auslöst. Aber gegen den kann man ohnehin nichts tun. Wenn jemand seine eigenen Erfahrungen sammeln will, dann ist das sein gutes Recht.
Fazit: Nichts Generelles gegen Rückblenden. Aber bevor man nicht wirklich gut mit ihnen umgehen kann, sollte man lieber versuchen, die Geschichte linear zu schreiben. Was spricht nämlich dagegen, bei einer spannenden Stelle der Rückblende gleich einzusteigen und von dort nach vorne zu entwickeln?
Liebe Grüße
Martin