Guten Morgen, liebe Linda,
hier die Antwort von Belles Lettres. Ich habe leider nicht den Hauch einer Ahnung, warum ein Großteil davon durchgestrichen ist, so kam es in meiner Mail nicht an; auch wenn ich es in ein Worddokument kopiere, ist da nichts durchgestrichen. Warum sich das hier so darstellt - ich bin überfragt
Liebe Frau Fischer,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Das ist eine alte Fehldeutung aus dem
19. Jahrhundert, die sich zum Beispiel bei Gustav Wustmann
(Sprachdummheiten. S 271) findet:
Liebe Frau Fischer,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Das ist eine alte Fehldeutung aus dem
19. Jahrhundert, die sich zum Beispiel bei Gustav Wustmann
(Sprachdummheiten. S 271) findet:
"Auch sehen und schauen sollte man nicht verwechseln! Das oft zu
vernehmende "Auf Wiederschauen!" ist ein törichter Abschiedsgruß, weil
man doch wünscht, den andern wiederzusehen und nicht, ihn wieder zu
beschauen, zu betrachten oder gar zu mustern. Reine Mundart ist der
Gebrauch im Bayrischen, wo er das (S)ehen zum guten Teil verdrängt hat."
Das ist schon nicht richtig, ganz falsch ist aber, daraus durch
Flüsterpost abzuleiten, 'schauen' wäre immer mundartlich.
Aus Weimar (in der Nähe von Wustmanns Heimat) findet sich zum Beispiel:
Wie wolltest du in deinem Leben wieder ihm in die Augen schauen?
Christoph Martin Wieland (Weimar): Geron, der Adlige. 1777.
Gerade das gegenseitige Anschauen von Menschen ist in der deutschen
Dichtersprache sehr alt und findet sich oft bei Luther. Obwohl er
niederdeutsch aufwuchs, stört er sich nicht an Schauen:
und da sie sah Petrus sich wärmen, schaute sie ihn an
Markus 14:67
Tatsächlich finden sich 'schauen' und 'sehen' in der Dichtung der verg.
fünfhundert Jahre gleichoft, wo das Betrachten gemeint ist, und ohne
Unterschied in der Bedeutung. 'In die Augen schauen' wird in
Wörterbüchern wegen seiner Häufigkeit als Hauptvariante angesehen:
jm. (offen/...) in die Augen schauen/(blicken/gucken/sehen)
1. Wenn man mit jemandem spricht, schaut man ihm in die Augen, Karin.
2. Wer einem so offen in die Augen schaut wie der Rudi, der betrügt
einen doch nicht.
jm. tief in die Augen schauen/blicken/gucken/sehen (path)
"Gertrud, gertrud" -- er schaute ihr tief in die Augen --,"niemals habe
ich eine Frau geliebt wie dich."
Hans Schemann: Deutsche Idiomatik: Wörterbuch der deutschen
Redewendungen im Kontext. Seite 45.
Es gibt auch einen guten Grund für die Präferenz für 'schauen', weil
'sehen' nicht aktiv (motiviert) ist. Genau diese Aktivität findet aber
statt, wenn sich zwei in die Augen schauen.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Scholten
(Sorry, dass ich dreinpfusche, direkt in dem Post, ist aber einfacher, als wenn ich es erklären würde und dich bitten es zu tun. Der Grund für das ehedem Durchgestrichene war, dass in dem Teil
›... wo er das (S)ehen zum guten Teil verdrängt hat."‹ das (S) nicht in runder, sondern eckiger Klammer stand. Jetzt ist aber akkurat s in eckiger Klammer die Auszeichnung für durchgestrichen (
strikeout) Text LG Martin)