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THEMA: Geliebter, gehasster Prolog

Geliebter, gehasster Prolog 03 Okt 2015 17:49 #3238

  • Martin
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Er ist modern, jeder meint, einen haben zu müssen und beinahe jeder tut sich damit nichts Gutes. Früher gab es kaum Prologe, heute hingegen glauben viele, sie bräuchten unbedingt einen. Wie dieser seltsame und m.E. sinnlose Kult zustande kam, das verstehe ich nicht.

Ich persönlich muss mich immer ziemlich überwinden, weiterzulesen, wenn ich in einem Buch einen Prolog entdecke. Ich mag die Dinger rein gar nicht, ich mag mit der Geschichte anfangen.

Wie sehr Prologe in die Hose gehen können, hat man ja beim Storyteller-Buchpreis von Amazon gesehen. Bei Buchpreisgewinnern ... Na ja. Wirft vielleicht auch ein Licht auf den Buchpreis. Aber das ist eine andere Geschichte.

Hans-Peter Röntgen hat die Prologsache schön besprochen, weshalb ich gern den Beitrag hier teile:

Prologe – Wann sie nützen, wann sie schaden.
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Geliebter, gehasster Prolog 03 Okt 2015 19:12 #3242

  • Sheila
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Hallo Martin,

ich gehöre auch zu den Prolog-Hassern und überblättere sie.

Entstanden sind sie aus der Theaterwelt, wo ein Sprecher/Off-Stimme vor dem 1. Akt die Vorgeschichte/das Setting den Zuschauern erklärt hat. Dort hat es m. E. auch seine Berechtigung und Sinn. Bei Histor. Romanen kann ich es noch einigermaßen verstehen, wenn der Leser wissen muss wer mit wem bzw. wer gegen wen steht, um die Zeit zu verstehen.

Aber anscheinend ist es eine Mode bzw. (was ich auch schon flüstern hörte) wird es auch angebl. von manchen Verlagen verlangt.

Aber bei den meisten Romanen kann ein Prolog entweder als 1. Kapitel tituliert werden oder der Inhalt des Prologs wird dann noch einmal in der Story mit aufgerollt. Ich habe wenige Romane gelesen, wo ich im Nachhinein/Zwischendrin den Prolog lesen musste, um alles zu verstehen. Bei dem Rest war es wirklich reelle (Lese-)Zeitersparnis.

Aber anscheinend ist es wirlich eine Mode bzw. was ich schon flüstern hörte, wird es angebl. von einigen Verlagen auch verlangt.
Liebe Grüße

Sheila
Letzte Änderung: 03 Okt 2015 19:13 von Sheila.
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Geliebter, gehasster Prolog 03 Okt 2015 20:35 #3246

Mich nerven Prologe auch meistens. Mir scheint es oft, der Autor habe den Einstieg in den Roman nicht geschafft oder wolle mit einem kryptischen Rätsel die Neugierde anstacheln, was aber oft daneben geht.

Doch mir ist auch bewusst, wie schwer ein guter Romananfang ist. Es braucht den Mut, die erste Szene nochmals zu überdenken und neu zu konzipieren, anstatt einen Prolog mit Infodump davor zu hängen.

Nachtrag: Malte Bremer hat bei Literatur Café die Shortlist der Kindle Storyteller Self Publisher Awards (puh, habe ich das richtig wiedergegeben?) unter die Lupe genommen und da auch die Prologe gegeisselt.
Sei mutig! Wenn du gewinnst, bist du glücklich. Wenn du verlierst, bist du weiser.
autor-martin-fischer.ch
Letzte Änderung: 03 Okt 2015 20:37 von MartinFischerAutor.
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Geliebter, gehasster Prolog 03 Okt 2015 20:48 #3249

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Ja, ja, der Prolog. Auch ich bin (war) ich verfallen! :whistle:


Der Anfang ist wirklich die Achillesferse eine Buches. Aber strotzen nicht viele Buchklassiker mit einem derartigen langweiligen Anfang, dass sie in der heutigen Zeit überhaupt keine Chance hätten, verlegt zu werden?

lg
Cora
liebe Grüße

Cora
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Geliebter, gehasster Prolog 03 Okt 2015 21:06 #3251

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@ Martin: ja, genau auf die fünf bezieht sich auch HP Roentgen. Finde ich einen echten Skandal, der kein so tolles Licht auf unsere Kultur wirft. Aber ich befürchte, dass es mit der sowieso nicht mehr so sehr weit her ist. Aber das ist eine andere Geschichte ;-)

@Cora: ja, der Anfang ist wichtig und ich liebe es, Anfänge zu schreiben! Einfach mit einer breiten Grätsche direkt irgendwo ins Leben zu platschen :side: Ob peinlich oder schlüpfrig, ob kess oder garstig - man kann das ja in den nächsten Zeilen wegschmunzeln. Aber der Blutdruck hat dann schon das passende Niveau :-)

Tja, die Klassiker. Die Zeit hat sich geändert, das ist der Grund. Gerade heute las ich einen Artikel, in dem sich jemand beklagte, dass seine (so wertvolle) Seite bei Surfern, die von Facbook kommen, nach 1,75 Minuten verlassen würde. Und facebook wäre übel, weil es uns noch mehr dazu verleitet, immer flüchtiger zu werden. Stimmt schon, aber der eine verleitet, der andere lässt sich verleiten. Wer ist der Verantwortliche ...?

Und genau das ist es, die Flüchtigkeit, die Ruhelosigkeit. Keiner hat die Muße, sich kuschelig in einen Roman einzulesen. Der muss gleich packen oder er ist nix. Na gut, wie leben heute, unsere Leser leben heute, dann machen wir halt knallige Einstiege. Was solls B)

Liebe Grüße
Martin
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Geliebter, gehasster Prolog 04 Okt 2015 15:02 #3257

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Hallo, liebe Mitforlinge,

das Thema Prolog gab es hier schon einmal. Ich bin auch kein Verfechter des Prologs, aber so ganz möchte ich MartinFs Meinung nicht gelten lassen. Für mich ist ein Prolog manchmal notwendig, wenn nämlich die Geschichte nicht linear erzählt werden soll/kann. Eigentlich ist es doch auch egal, ob da Prolog oder 1. Kapitel steht? Auch bei einem Prolog brauche ich einen spannenden Einstieg, sonst legt der Leser das Buch ebenfalls zur Seite.

Gruß Linda :book:
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Geliebter, gehasster Prolog 04 Okt 2015 15:17 #3261

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Hallo Linda,
Linda schrieb:
Eigentlich ist es doch auch egal, ob da Prolog oder 1. Kapitel steht?

Nur weil viele Autoren einen Prolog hinlegen, der eigentlich ein 1. Kapitel ist. Aber wenn es das Gleiche wäre (was es nicht ist!) könnten sie ja gleich 1. Kapitel drüberschreiben.

Linda schrieb:
Auch bei einem Prolog brauche ich einen spannenden Einstieg, sonst legt der Leser das Buch ebenfalls zur Seite.

Ich bin eine faule Socke :oops: :rotfl: Warum soll ich mir etwas abbrechen, um einen guten/spannenden Prolog und zusätzlich noch ein gutes/spannendes 1. Kapitel zu schreiben? Nee, lieber nur einmal Kopfschmerzen ... :evil:
Liebe Grüße

Sheila
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Geliebter, gehasster Prolog 04 Okt 2015 15:26 #3263

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Hallo Linda,

du hast schon Recht, manchmal sind Prologe sinnvoll. Bei einem historischen Roman, SciFi, Fantasy und überall dort, wo ein wenig Orientierung angebracht ist. Aber selbst da finde ich es ein etwas plumpes Mittel. Wir hatten das schon einmal in der Geschichtenwerkstatt bei einer Fantasysache. Diese Lösung fand ich gut, wo in Stichworten die Eckdaten bekanntgegeben wurden. Viel spannender wäre doch die Herausforderung, gleich hineinzuspringen und häppchenweise nachzureichen, was zum kompletten Bild fehlt. Ich glaube, dass das bei 99 Prozent geht.

Ich hoffe, du bist nun nicht bist, wenn ich dir schon wieder widerspreche: ich finde es nicht egal, ob es Prolog oder 1. Kapitel heißt, denn das sind zwei paar Schuhe.
Prologe heißen so, weil sie als Vorwort etwas einleiten oder erklären. Das erste Kapitel hat diese Aufgabe nicht. Also nur umbenennen hilft nicht weiter.

Und ja, wenn schon Prolog, dann würde ich sogar noch einen Schritt weiter gehen und fordern, dass er noch perfekter sein muss, als ein erstes Kapitel. Denn es gibt viele Prologhasser und die muss man dann noch zusätzlich überzeugen.

Liebe Grüße
Martin
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Geliebter, gehasster Prolog 04 Okt 2015 16:01 #3269

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Hallo Martin,

auch hier hast du völlig Recht. Aber bei meiner "Teepflückerin" z.B. ging es ohne Prolog gar nicht.
Jedenfalls nicht nach meinem Empfinden - das ja wohl die Verlegerin teilt?

Und modern ist der Prolog doch gerade gar nicht - ganz im Gegenteil. Ich bin bisher in den Foren nur auf Ablehnung gestoßen und trotzdem habe ich gerade ein Prolog zur Rosinenpickerei in meinem eletronsichen Briefkasten gefunden. :ohmy:

Weshalb sollte ich böse sein? Ich höre gerne andere Meinungen, vor allem, wenn sie qualifiziert sind

Grüßle Linda bissig
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Geliebter, gehasster Prolog 04 Okt 2015 16:23 #3275

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Linda schrieb:
Und modern ist der Prolog doch gerade gar nicht - ganz im Gegenteil. Ich bin bisher in den Foren nur auf Ablehnung gestoßen und trotzdem habe ich gerade ein Prolog zur Rosinenpickerei in meinem eletronsichen Briefkasten gefunden. :ohmy:

Hallo Linda,

ich finde schon, dass Prologe in allen möglichen Romanen die letzten 10- 15 Jahre zugenommen haben. Und oft werden sie auch von Verlagen verlangt, was ich nicht verstehe. Ich habe schon selbst erlebt, wie bei einem Roman mit einem spannenden Anfang, der den Leser vom 1. Satz an reinzog und auch im Verlauf der Geschichte alles erklärt/verständlich war, ein Lektor einen Prolog verlangte. Gott sei Dank hat der Autor dankend abgelehnt und einen anderen Verlag gefunden.

Vllt. solltest du noch das 1. Kapitel abwarten und dann vergleichen, ob der Prolog wirklich notwendig ist und vor allem prüfen, ob der Prolog wirlich ein Prolog ist und nicht doch ein 1. Kapitel.
Liebe Grüße

Sheila
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Geliebter, gehasster Prolog 04 Okt 2015 18:00 #3277

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Interessantes Thema!

Ich denke wir sind uns einig, dass ein Prolog nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen sinnvoll ist. Nun gilt es nur noch zu klären, welche genauen Voraussetzungen das sind.

Für mich macht ein Prolog nur in einer Sache Sinn: Wenn ein ganz bestimmtes, bedeutendes und immer wiederkehrendes Element der Geschichte auf ein ganz bestimmtes Ereignis in der Vergangenheit zurückzuführen ist, dieses Ereignis sich aber nicht anschaulich und lebendig genug in Häppchen servieren lässt.

Ein Beispiel:
Harry Potter erhält seine Narbe während seiner ersten Begegnung mit Voldemort - als kleines Kind, also Jahre vor der eigentlichen Geschichte. Diesen Kampf und deren Zusammenhänge bildlich genug in kurzen Häppchen darzustellen, ist beinahe unmöglich. Das Einzige, was einigermaßen funktioniert hätte, wäre ein Traum, in dem Harry diesen Tag wieder erlebt. Aber das wäre dann auch nur eine ziemlich konstruierte Rückblende. Außerdem müsste der Traum, genauso wie ein Prolog, ziemlich am Anfang stehen. Ich weiß zwar nicht, ob die Bücher tatsächlich mit einem Prolog begannen, aber in diesem Fall, würde er mir einleuchten und sogar die Geschichte aufwerten.

Was für mich ein Prolog niemals tun darf ist etwas zurückliegendes erklären. Als Leser möchte ich nicht den Eindruck gewinnen, dass ich ohne vorherige "Bedienungsanleitung" zu dumm bin der Geschichte folgen zu können. Ein Prolog sollte für mich immer eine in sich geschlossene Handlung mit echten Bildern, Eindrücken und eigenem Spannungsbogen sein, quasi eine Minigeschichte vor der Geschichte. Das kann unter Umständen sogar nur eine einzige Szene aus 1-2 Sätzen sein.

Das ist jedenfalls meine Meinung und mein Geschmack.

LG Sam
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