Samanter schrieb:
Mh. Was genau sagst du uns da jetzt, Martin?
Etwas, das so üblicherweise untergeht: dass Schreiben zur Kunst zählt und nicht von 0 auf 100 funktionieren kann, wenn man es als Kunst betreiben möchte. Dass das aber eine weniger große Rolle spielt, wenn man trotzdem das Bedürfnis des Lesers trifft.
Samanter schrieb:
Ich werde nie erfahren, ob ich wirklich gut bin, denn ich werde es höchstwahrscheinlich nicht von einem Lektor (dem Fachmann) gesagt bekommen. Welche andere Meinung, als die des Fachmanns, könnte mich aber wirklich als guten Autor auszeichnen? Du kannst sagen, der Leser. Aber stimmt das? Ich habe schon genug Romane gelesen, die sehr gut verkauft werden und trotzdem voll von fachlichen Fehlern und sogar Unverschämtheiten sind. Nicht immer verkauft der Autor letztlich das Buch, sondern die Marketingabteilung.
Gibt es ›gut‹? Literarisch? Gibt es das ›Gut‹ überhaupt? Ich denke nicht. Lektoren sind Schnittstellen zwischen Autor - Verlag - Leser. Sie wissen meistens, was gut ankommt. Verlag ist Business. Und nur das. Neutral ›gut‹ kann man am ehesten noch dann sagen, wenn es dem Autor gelungen ist, seine inneren Bilder beim Leser möglichst ähnlich auferstehen zu lassen. Der Rest ist Angebot und Nachfrage.
Gegenfrage: was ist für dich ›gut‹?
Samanter schrieb:
Ein Lektor beurteilt mein Skript schon nach den ersten zwei drei Sätzen. Also bildet er sich dann schon eine Meinung über meine Fähigkeiten. Demzufolge ist er voreingenommen, von seinen eigenen ersten Eindrücken. Also müsste es jetzt darauf ankommen, wie unvoreingenommen er trotzdem weiter liest. Habe ich da überhaupt eine Chance? Wie soll ich schon in den ersten 2-3 Sätzen mein ganzes Können darstellen?
Mal ganz nüchtern: wenn dir das nicht in den ersten Sätzen gelingt, dann gelingt es dir später vermutlich auch nicht. Freilich kann man sagen, dass es ja die Geschichte sein kann, die Figuren, die Originalität usw. Nur muss genau das Lektoren egal sein. Denn die sind gezwungen, aus täglich unzähligen Manuskripten die Rosinen herauszupicken. Business heißt der Grund. Und Zeit. Dein Wunsch nach einem netten Lektor, der dann trotzdem weiterliest ist zwar fromm, aber leider unrealistisch.
Samanter schrieb:
Hinzu kommt, dass auch ein Lektor nur ein Mensch ist, und somit persönliche Vorlieben hat. Doch kann ein Lektor das ausblenden? Schließlich soll er beurteilen, ob man sich in der Geschichte verlieren kann, ob sie mitreißt bzw. dich zu Tränen rührt. Wie kann er das, wenn ihm schon das Genre persönlich nicht zusagt? Und kann ein Lektor Gefühle theoretisch nachempfinden, wenn sein persönlicher Geschmack diese nicht zulässt, um sie zu beurteilen?
Hier kommt dein Glück ins Spiel. Hast du Pech, bekommt deinen Erotikroman der Krimilektor in die Hand, der ihn gleich augenrollend ablehnt, weil gerade seine Frau mit seinem besten Freund durchgebrannt ist.
Samanter schrieb:
Ich weiß nicht, aber ich finde deine Erklärung ist ziemlich grau. Mag ja sein, dass das in Wirklichkeit so ist, aber will ich das als aufstrebender, motivierter Autor ernsthaft wissen? Wozu? Um mich demotiviert zu fühlen? Etwas Dämpfung in all zu großer Euphorie ist ja ganz gut, aber zuviel ist m. E. n. kontraproduktiv.
Ja, sind sie: grau. Denn die Chancen, glücklicher Autor zu werden, der vom Schreiben von Romanen leben kann, sind etwa so groß wie ein Lottosechser - kein Witz! Wir pflegen, was das Schreiben angeht, in Illusionen zu tanzen, die haarstreubend sind und den großen Frust vorprogrammieren.
Samanter schrieb:
Bitte, gib uns auch ein wenig Licht, in all dem Grau, ja?
Nichts lieber als das! Schreiben ist ein unglaublich hilfreicher Prozess mit vielen Aspekten! Sich darauf einzulassen bedeutet Mut, aber damit auch eine ganze Menge an Gewinn! Allerdings ist der meistens anders, als wir ihn uns vorstellen. Eigentlich müsste ich jetzt ins Philosophische eintauchen und über Lebenssin zu reden anfangen. Ein großer Teil davon ist nämlich das Zu-sich-Finden. Und dazu gehört das Ent-täuscht-Werden. Der Mut dazu, sich nicht von Täuschungen in die Irre führen zu lassen. Eine davon wäre, dass sich jeder hinsetzen kann, einen Roman schreibt und reich wird wie Rowling oder James. Nur: liegt dieses Reichwerden auf deinem persönlichen Lebensweg? Bei den wenigsten von uns, wenn man auf- und rundherumblickt.
Die Lebensaufgabe liegt eben nicht darin, reich und zufrieden zu werden, sondern man selbst und glücklich zu werden. Und genau für diesen Weg empfinde ich das Schreiben als perfektes Werkzeug! Warum?
1. Schreiben bedeutet ganz banal ›ausdrücken‹. Wie man eine Zahnpastatube ausdrückt, kann man auch sich ausdrücken, indem man schreibt. Das Innen kommt nach außen, man bewältigt, drückt weniger aufs Herz. Nicht umsonst empfehlen viele Therapeuten, sich etwas von der Seele zu schreiben.
2. Schreiben ermöglicht es einem, seine eigenen Wunschwelten zu zaubern. Man kann sich in diese zurückziehen und das ist wunderschön.
3. Man bekommt Kontakt zu Menschen, die man sonst nie hätte. Virtuell und physisch. Mitautoren, Leser und alle, die sich im Literaturmarkt tummeln. Man kann gemeinsam NaNoWriMos bestreiten, gemeinsam zittern, sich gemeinsam freuen. Man ist in einer Gruppe meist liebenswerter Menschen, die dasselbe Ziel haben: Schreiben.
4. Die Beschäftigung mit dem Schreiben, dem Handwerk, den Geschichten, der ganzen Verlagnslandschaft und dem Flair, was über all dem liegt, macht schlicht Spaß.
5. Besteht doch, wenn auf unserem persönlichen Lebensweg der äußerliche Erfolg wartet, die Möglichkeit, ein Werk zu verfassen, dass viele andere berührt.
6. All diese Punkte hängen nicht vom Erfolg unseres Geschriebenen ab. Vielleicht sollten wir mit Citroen denken: Der Weg ist das Ziel.
Sind das genug Gründe, um das Grau bunter zu machen?
Liebe Grüße
Martin