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THEMA: POV - Ich stecke fest

POV - Ich stecke fest 28 Dez 2015 21:48 #4113

Bisher mischte ich die POV's ziemlich regelmässig miteinander. Mir erschien das sinnvoll, weil ich so verschiedene Handlungsstränge miteinander verweben konnte.

In meinem neuen Projekt wird wohl der Held 70-80% der Szenen als POV beherrschen. Doch einige Szenen gebe ich anderen Figuren.

Ist das Eurer Meinung nach störend, wenn ein solches Ungleichgewicht der Szenen-POV herrscht? Sollte man in diesem Fall das ganze Buch mit einer POV-Figur bestreiten, eventuell sogar in der Ich-Form?

Danke für Eure Hilfe. Ich stecke gerade sehr fest. :huh:

LG, Martin :S
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POV - Ich stecke fest 29 Dez 2015 10:04 #4114

  • Martin
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Hallo Martin,

dieser Satz macht mich hellhörig:MartinFischerAutor schrieb:
Doch einige Szenen gebe ich anderen Figuren.
Das klingt für mich nach willkürlicher Zuteilung von POVs an mal die, mal die Figur. So nach dem Motto ›Ups, der hatte ja noch gar keine Szene, der bekommt jetzt auch noch schnell eine.‹

Ich weiß nicht, wie es anderen dabei geht, doch mir fällt während des Schreibens auf, dass die Geshichte den POV fordert. Komme ich dieser Forderung nicht nach, wird die ganze Sache holprig.

Auf jeden Fall sollte man eine Linie durchziehen. Ist es Pingpong, dann immer Pingpong. Ist es eine POV, dann sollte auch das so bleiben. Bei meiner aktuellen Geschichte hatte ich auch das Problem: Im zweiten Teil kam ein Protagonist zum Zug und nur dazwischen drei Szenen hintereinander ein anderer. Das spürte sich hakelig an. Ich spürte mich rein und bemerkte, dass weiter hinten noch ein Anker fehlte und tatsächlich sollte dort noch einmal der andere zu Wort kommen.

Was ich gar nicht gut finde, wenn 90% ein Strang hat und die restlichen 10% sich drei Figuren aufteilen. Das verwirrt den Leser nur.

Auch ist die Gefahr der Spannungsverwässerung bei mehreren Strängen groß.

Natürlich kommt es auf die Geschichte an. Es gibt Krimis, wo fünf Leute in einen Zug oder ein Schloss gesperrt sind und sich die Frage nach dem Täter stellt. Da gibt es natürlich vermutlich auch fünf Stränge, allerdings ziemlich gleichgewichtet.

Bei einer Liebesgeschichte hingegen gibt es üblicherweise zwei Protagonisten, also auch zwei Stränge - oder gar nur einen. Die Gewixchtung muss nicht gleich sein, sondern richtet sich danach, wer die zentrale Figur in der Geschichte ist.

Bei willkürlicher Verteilung steigt in mir der Verdacht auf, dass die Geschichte rein geplant und mit dem Kopf geschrieben ist anstatt mit dem Herz. Der Plot mag wichtig sein. Letztlich geht es aber primär um Gefühle, die transportiert werden.

Viele Grüße
Martin
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POV - Ich stecke fest 29 Dez 2015 10:21 #4115

Martin schrieb:
Auf jeden Fall sollte man eine Linie durchziehen. Ist es Pingpong, dann immer Pingpong. Ist es eine POV, dann sollte auch das so bleiben.
...
Was ich gar nicht gut finde, wenn 90% ein Strang hat und die restlichen 10% sich drei Figuren aufteilen. Das verwirrt den Leser nur.
...
Bei einer Liebesgeschichte hingegen gibt es üblicherweise zwei Protagonisten, also auch zwei Stränge - oder gar nur einen. Die Gewixchtung muss nicht gleich sein, sondern richtet sich danach, wer die zentrale Figur in der Geschichte ist.

Hallo Martin,

Danke für Deine Antwort. Von willkürlicher Szenenzuteilung kann natürlich keine Rede sein nach dem Motto: Wer hat noch nicht, wer will noch mehr.

Meine Frage geht mehr in die Richtung, ob es sinnvoll ist, wenn man z.B. dem Antagonisten auch Szenen gibt, oder der Nebendarstellerin - wenn ansonsten 70% aus Sicht des Protagonisten erzählt werden.

Doch Du bestätigst mein Gefühl, dass es im vorliegenden Fall besser ist, ganz beim Protagonisten zu bleiben und alles aus seiner Sicht zu erzählen.

Was mir noch Kopfzerbrechen bereitet: Die Sichtweise wird sehr eingeengt. Vom Prota losgelöste Handlungen oder Vorbereitungen durch andere Figuren sind so nicht mehr möglich.

Liebe Grüsse
Martin
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POV - Ich stecke fest 29 Dez 2015 11:32 #4116

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Hallo MartinF,

das ist sicher eines der Probleme, die man als Autor immer wieder findet.

Manchmal finde ich es ganz gut, wenn man eine (meist kurze) Szene einstreut, die einen anderen POV hat.
Bei meinem aktuellen Projekt habe ich zwei Protagonisten und dafür zwei POVs. Dann gibt es jedoch auch den Antagonisten, der einen weiteren POV einnimmt. Da ich mich jedoch einen Thriller versuche und es regelmäßige Sterbefälle gibt, habe ich für die Unglücklichen mindestens eine Szene mit deren POV.
Das fühlt sich für mich richtig an, da man sonst die Dramatik nicht einfangen kann.

In einem anderen Projekt habe ich mich auf zwei POVs festgelegt. Auch das ging soweit ganz gut. Allerdings bin ich dann in die Verlegenheit geraten mindestens einmal einen Infodump einzufügen, damit der Protagonist die Informationen bekam - und er Leser auch. Ich habe es etwas in die Mitte der Geschichte geschoben.

Man muss immer einen Preis zahlen. Zu viele POVs - können den Leser verwirren. Wenige POVs bedeuten oft Infodumps und Szenen die nur schwer laufen. (Oft weiß man, das die andere Sicht die spannendere wäre.)

Ich würde jedoch einen weiteren POV nur hinzunehmen, wenn es unbedingt sein muss. Dann, so denke ich, versteht es auch der Leser.

Viele Grüße,

Neo
Letzte Änderung: 29 Dez 2015 11:33 von neotoma.
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POV - Ich stecke fest 29 Dez 2015 17:24 #4118

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Hallo MartinF, :)


Du schriebst:
Was mir noch Kopfzerbrechen bereitet: Die Sichtweise wird sehr eingeengt. Vom Prota losgelöste Handlungen oder Vorbereitungen durch andere Figuren sind so nicht mehr möglich.



Genau das finde ich auch. Deshalb mag ich auch keine Bücher mit ICH-Erzähler. Es ist mir zu einseitig um nicht das Wort langweilig zu benutzen.
Als das Thema Perspektive bei meinem Projekt zum Thema wurde, befragte ich meine Probeleser. Sie meinten, sie finden es toll, wenn sie in einem Buch in verschiedene "Köpfe" schlüpfen können. :book:

Ich finde dein - wie nennt man es - Satz am Abschluss sehr gut. Versuche doch einmal nach dieser Devise zu schreiben. ;) Schreibe mit verschiedenen POVs - wenn sie etwas wichtiges zu deiner Geschichte beizutragen haben, kann es nur von Vorteil sein. Ansonsten ändere es wieder.

Wenn du die Arbeit scheust, dann mach es nur mit einer Szenendiagramm. Daran kannst du sicherlich erkennen, ob du die anderen POVs brauchst.
Viele Autoren schreiben auch mit einem Rückblick als zweiten Erzählstrang.
Buchtipp dazu: Kates Geheimnis von Brenda Joyce

Liebe Grüße
Cora
liebe Grüße

Cora
Letzte Änderung: 29 Dez 2015 17:25 von CoraSuess.
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POV - Ich stecke fest 29 Dez 2015 18:40 #4119

Hallo zusammen,

danke für Eure Anregungen. So erlebte ich bisher die verschiedenen POV-Varianten:

1. Ich-Form: Ja, manchmal war es langweilig. Aber es kommt sehr auf den Autor drauf an, ob er was draus gemacht hat.

2. Gemischt, 2 Ichs: Schwierig. Meistens war es ein Liebesroman, mal im Kopf der Frau, dann im Kopf des Mannes. In "Mein Nachbar und ich" wechselten sich die POV's regelmässig ab. Das gab wieder eine gewisse Gewohnheit, wobei es auch zwei Autoren waren, die schrieben. Dasselbe in der Fantasy-Komödie "Verswitcht". Dennoch fordert es die Leserschaft heraus, ständig von einem Ich-Erzähler zum andern zu wechseln.

3. Gemischt, Ich + Personal(e): So im "Marsianer", der in der Ich-Form sein Tagebuch schreibt und zwischendurch Szenen auf der Erde oder bei der übrigen Crew im Raumschiff. Diese personalen Sequenzen kamen nur sporadisch vor (ähnlich, ich in meinem Projekt), was einen immer aus dem Lesefluss des Marsianers herausriss. Und in diesem speziellen Buch wären diese Einschübe nicht mal notwendig gewesen. Mark Watney schrieb sein Tagebuch dermassen witzig.

4. Personal, nur 1 Figur: Eigentlich eine verkappte Ich-Form, die mit der Zeit sehr ermüdend zu lesen ist. So in "Layers". Da ist mir die echte Ich-Form lieber.

5. Personal, diverse POV's: Naja, diese Form ist die gängigste, die ich auch in meinen ersten Büchern angewendet habe.

Mein WIP (Projekt in Arbeit) ist ein Thriller, den ich anhand der Heldenreise strukturiere. Daher liegt schon das Erzählschwergewicht auf dem Helden.

Danke Cora, für Deinen Mutmacher. Ich plotte mal aus Sicht des Helden und entscheide danach, ob ich doch lieber noch andere POV's zu Wort kommen lasse.

Liebe Grüsse
MartinF
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POV - Ich stecke fest 29 Dez 2015 20:43 #4120

  • ernstbay
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Um noch einmal auf MartinF's Frage zurück zu kommen: Für mich bestimmen die Geschichte selbst und der Leser die Anzahl der POVs.

Der Leser darf nicht in ein Info-Defizit kommen (auch wenn z.B. der 'Held' dieses Defizit durchaus haben kann). Aber es darf auf keinen Fall so weit kommen, dass der Leser (mangls Info) die Geschichte und das Geschehen in der Geschichte nicht mehr versteht. Dann legt er nämlich das Buch weg - endgültig.

Deshalb stelle ich mir beim Schreiben die Frage: Welche Information braucht der Leser als nächstes und welche Figur soll sie ihm geben. Dabei ist natürlich klar, dass diese 'Information' immer so eingefärbt ist, wie die erzählende Figur gerade gepolt ist.

Herzliche Grüße
Ernst
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POV - Ich stecke fest 31 Dez 2015 20:08 #4123

  • LucyB
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Hallo Martin,

meine Meinung zu dem Thema ähnelt der Meinung von Ernst. Es kommt auf die Geschichte an, die du erzählen möchtest. Brauchst du eine weitere Perspektive, um die Spannung zu steigern, dann los. Nicht immer geht es um Infodump. Du kannst auch eine wundervolle Szene entwickeln. Dir Frage ist, ob es einen Mehrwert hat, ob es einfacher zu lösen wäre und ob du das Mittel brauchst oder nicht. Ist es die dramaturgisch beste Lösung. Im Einzelnen kann man das nur am Projekt selbst erkennen. Falls du noch hängst, kannst du mir gerne eine pm schicken oder das Projekt in der Werkstatt einstellen. Kurze Twitternachricht schadet auch nicht, ich gucke nämlich nur in die Werkstatt, wenn ich Zeit über habe.

Viele Grüße
Lucy
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