Nun ja, ein rotes Sofa auf dem man mit poetischen Worten über die nackten Tatsachen redet, ist dann doch noch etwas anderes als ich im Kopf hatte. Das ist eher eine öffenlichkeitstaugliche, stark abgeschwächte Form dessen, was in einem Erotikroman tatsächlich beschrieben steht.
Natürlich hast du Recht, wenn du sagst Erotik gibt es überall und Sex ist heute in aller Munde. Aber es ist eben doch ein Unterschied, ob du eine Sexszene in einem Actionfilm o. ä. siehst oder ob du tatsächlich "die nackten Tatsachen" auf den Tisch packst. Wenn auch Erotik für mich nicht gleich Pornografie ist, enthält ein Erotikroman Pornografie. Verstecken muss man sich sicher auch nicht damit, aber es ist auch nicht so "normal", dass es für eine öffentliche Veranstaltung taugt.
Hast du schon einmal einen Erotikroman gelesen? Wenn ja, dann erstaunt mich deine Offenheit. Das ist m. E. n. bewundernswert aber auch außergewöhnlich.
An der Uni schaue ich unentwegt in die unerotischen Poritzen von Studenten und in die immer noch von Kleidung weit befreiten Brüste mancher Studentinnen. Ich sage dann immer: das nächste Mal angezogen, das ist für alle viel erotischer.
Genau da meine ich ist der Unterschied zwischen Pornografie und Erotik. Erotik soll keine Fantasie vorgeben, sondern sie anregen. Pornografie ist dagegen eher die reine Darstellung des Aktes. Leider oft auch rein männlich geprägt. Es ist ja bekannt, dass Männer hauptsächlich optisch und "geradlienig" orientiert sind, Frauen dagegen eher geistig. (Das soll jetzt keine Abwertung unserer männlichen Fans sein. Es ist einfach eine wissenschaftlich fundierte Tatsache.)
Es gibt sogar einen Trend, der sich zur Zeit durchzusetzen versucht, nach dem vermehrt Frauen Pornofilme produzieren und damit wesentlich mehr Erfolg haben als Männer, weil sie mehr geistig, psychologisch und esthetisch dabei vorgehen. Sie gehen viel mehr auf winzige Details die Fantasien anregen ein, anstatt nur den Akt darzustellen. Mann sollte es nicht glauben, aber das gefällt sogar Männern viel mehr, als herkömmliche Männer-Pornografie.
Aber zurück zu meiner Frage, ob man einen Erotikroman (mit pornografischen Szenen) öffentlich vorlesen kann.
Ja man könnte. Schließlich wird bei Erotikmessen Pornografie auch offen angeboten und gezeigt, ja sogar erklärt und laut angepriesen. Aber eine Lesung ist nun mal keine Erotikmesse. Aber wie mache ich das den Teilnehmern im Vorfeld klar und wie weit kann ich gehen? Wo ist die Grenze an der sich der aufgeschlossene Durchschnittsbürger moralisch angegriffen und affektiert fühlt, wenn er auch zuhause im Schlafzimmer solche Romane liest. Es laut zu hören in Anwesenheit Vieler, ist noch etwas anderes.
Ich gehe nicht davon aus, dass zu solchen Lesungen nur Swinger, Partnertauschbegeisterte oder Sexklubfans kommen. Hausfrau und co. mögen ja offene Fantasien haben und auch offen mit ihrer Sexualität umgehen. Aber öffentlich erregt sein, geht für sie wahrscheinlich nicht.
Vielleicht muss man einen Mittelweg finden. Zunächst den Teilnehmerkreis einschränken, z. Bsp. nach Alter, und im Vorfeld möglichst genau erklären, was auf ihn zukommt. Dann die ganz harten Szenen auslassen und nur die schon genug obzönen Zwischentöne lesen. Ich glaube das ist sowohl für den Autor als auch für die Zuhörer schon Herausforderung genug.
LG Sam