Hey Cora, welcome!
Ha, du rüttelst Erinnerungen in mir wach! Viel deiner Worte hab ich vor Jahren ähnlich gesprochen, geflucht, geseufzt.
Vorweg auf deine Frage: "Warum ist es dann so schwer zu schreiben?" vielleicht eine Gegenfrage: Ich höre seit meiner Kindheit Musik. Warum ist es nun so schwer, Klavier zu spielen? Schreiben ist etwas unglaublich Hinterfotziges. Dass wir allesamt schreiben gelernt haben und es auch täglich tun - Mails, SMS, Firmenbriefe, Steuererklärung - denken wir, dass es einfach sei, wir es ja schon können. Denkste. Buchstaben zu Worten zu Sätzen machen ja. Schreiben? Nein.
Und damit sind wir gleich bei den lieben Testlesern. Die lesen deinen Text, kennen dich vielleicht näher und denken, boah, die Cora die kann ja echt eine Geschichte schreiben! Und dann lesen sie ehrfürchtig von jemandem das, was sie bis dato selbst nicht gepackt haben: ein ganzes Buch! Ein Buch zu schreiben lagert bei vielen neben dem Maseratifahren und USAbesuchen auf dem Regal, auf dem steht: Wenn du das getan hast, dann hast du das Leben gelebt! Du hast also mit dem Buch eines dieser sagenhaften Dinge getan. Abgehakt von der Liste des Unglaublichen. Und mit genau dieser Ehrfurcht im Hinterhaupt lesen sie dann deine Geschichte, sind mitunter froh, wenn sie durch sind - nicht bei deiner, aber das kommt vor - und sagen, toll, super, könnt ich nicht. Wie gesagt, sie schweben auf einer anderen Welle, als wären sie auf üblichem Weg an das Buch geraten. Erstens. Also von Haus aus mildernde Umstände.
Was wir nicht erfahren ist, dass sie vielleicht ein paar Seiten überblättert haben, wobei sie sich dachten, na ja, kann ja nicht alles Klasse sein. Oder sie haben sich einem zuliebe durch den Anfang gequält und sich dann gedacht, dass es eh recht nett weitergeht. Bezieh das bitte nicht auf deine Testleser, aber so ist es halt mal.
Im günstigsten Fall geht jemand her und sagt zu dir, du, da beim dritten Kapitel war es etwas fad; aber net böse sein, okay? Oder, dass sie am Anfang verwirrt waren. Nur - warum, das können sie dir nicht sagen. Denn das kann man nur, wenn man sich mit dem Handwerk beschäftigt. Überhaupt fallen solche Sachen im Detail gar nicht auf, sondern summieren sich dann zu einem Gesamteindruck, mit dem man dann aussteigt und den Dekcle hinter dem Buch schließt.
Uns sind im Prinzip keine Regeln auferlegt, darunter verstünde ich, dass man nach dem ersten Kapitel links abbiegen und nach dem dritten Inquit die Vorfahrt beachten müsste. Die sogenannten Regeln sind das, was man bei der Musik Virtuosität nennt und die den Gänsehaut erzeugenden, etüdenübenden Novizen vom Konzertpianisten unterscheidet. Es sind eigentlich gar keine Regeln, sondern psychologische Erkenntnisse über Kommunikation. Freilich kann man die brechen und dann ist vielleicht die Zwölftonmusik geboren - Trara! - und alle applaudieren. Aber das werden dann wahrscheinlich die Kritiker sein und nicht die Leser. Die mögens nämlich doch lieber harmonisch.
Die Regeln finde ich sauschlau. Du hast Adjektive angeschnitten. Warum sind die mit Misstrauen zu beäugen? Weil sie dem Leser das Erlebnis wegnehmen, die Bilder selbst in seinem Kopf bauen zu dürfen. Die sind oft wie Schweinsbratenbrei. Macht der Spaß? Nein, es ist das Erlebnis, das Knödelstück mit der Gabel plattzuquatschen, etwas Soße draufzuschubsen und das dem Bratenstück hinterherzuschieben. Schnüff, schmatz - jaa ... Wenn wem wer in der Kneipe Schweinsbratenbrei auftischt, na frage nicht, der bekommt echt Ärger. Wahrscheinlich mit dem Kommentar: willst du es mir vielleicht auch noch gleich vorverdauen, anstatt nur vorzukauen?
Und Füllwörter? Also eigentlich sind die augenscheinlich doch gleichsam auch Wörter oder? Schon. Aber nur für Politiker. Außer in Dialogen des unsicheren Alfons, der sich dreht und windet, wenn er Suleika ansprechen soll.
Es macht Spaß, mit der Zeit das alles zu durchschauen. Ich gebe zu, dass mir das nicht gleich gelang, manches musste sich mir hartnäckig aufs Haupt setzen und immer wieder um Einlass pochen. Und anderes tut das immer noch. Aber es macht unglaublich Spaß, wenn man hie und da einen Spalt aufmachen und den Groschen fallen lassen kann!
Ich finde, dass es gar nicht so wichtig ist, ein Buch zu veröffentlichen. Allein das Schreiben macht Megaspaß, das Kennenlernen der Tricks und im Tanz mit den Wörtern immer selbstverständlicher und virtuoser zu werden. Und, nicht zuletzt, der Austausch mit Ähnlichsüchtigen!
Du siehst, es hat mich überschwemmt - sorry!
Dabei wollte ich doch nur sagen 'herzlich willkommen!'
Viele Grüße
Martin